Clarissa hatte die Hoffnung fast aufgegeben, als (sehr) junge Mutter mit kleinem Kind eine Ausbildung zu finden. Dann stieß sie über die Arbeitsagentur auf ein Projekt für junge Erziehende und startete in die Teilzeitausbildung. Wie Clarissa Hürden und Rückschläge gemeistert hat, was sie euch für die Ausbildungssuche rät und wer ihr Vorbild ist, lest ihr im Interview.
Wie hast du mit Kind damals deine Ausbildung gefunden?
Ich war damals im Verein für berufliche Förderung von Frauen. Aber die Suche da war erfolglos. Davor hatte ich zwei Praktika absolviert, habe es aber nicht geschafft, sie bis zum Ende zu absolvieren.
Durch die Agentur für Arbeit bin ich auf die Teilzeitausbildung der Telekom aufmerksam geworden und wir wurden für die Bewerbung vorbereitet. Es waren mehrere junge Mütter anwesend. Da war ich 18. Es war ein gemeinsames Projekt der Telekom und der Agentur für Arbeit, da die Telekom zu dieser Zeit eine sehr große soziale Verantwortung trug und ich gehörte zu den ersten Frauen, die an diesem Projekt teilnehmen durften.
Was rätst du anderen Müttern, die nicht auf Anhieb eine Ausbildung finden? Oder sich bei der Ausbildung mit Kind(ern) schwertun?
Ich rate den Frauen, sich nicht entmutigen zu lassen und ihre Ziele stets zu verfolgen. Manchmal liegt es nicht an einem selbst, sondern man passt nicht zu der Firma oder das Profil sagt der Firma nicht zu. Außerdem rate ich: Immer auf seine Stärken achten. Meistens ist man als Mutter organisierter, disziplinierter und verantwortungsbewusster, als Arbeitgeber denken. Und nicht den Mut verlieren und sich an den Betriebsrat, IHK oder zuständigen Teamleiter wenden und immer nach einem Gespräch suchen, wenn es ganz schwierig wird. Eine Ausbildung dauert drei Jahre und man hat eine größere Perspektive für sich und sein Kind, wenn man diese absolviert.
Wie war die Schulzeit für dich?
Die Schulzeit war anfangs holprig, da ich um 8 Uhr in der Schule sein musste, aber die Kita erst um 7:30 Uhr öffnete und ich für den Schulweg über eine Stunde brauchte. Einer meiner Mitschüler beschwerte sich, warum ich zu spät kommen darf, was mich ziemlich verletzte, da er kein Verständnis für meine Situation zeigte. Daraufhin haben meine Azubi-Kolleg*innen meiner Ausbilderin davon erzählt. Sie hatte sich unverzüglich an die Schule und an unseren Klassenlehrer gewendet, der übrigens auch Vater war, dass ich entschuldigt werden darf. Das hat mir sehr geholfen. Im Großen und Ganzen kam ich gut zurecht: Ich hatte zwei Mal die Woche Schule und hatte relativ gute Noten.
Welche Rückschläge hast du erlebt?
Meine härtesten Rückschläge waren die erste Abschlussprüfung, die hatte ich nicht so gut abgeschlossen und mein Filialwechsel aufgrund eines Vorfalls – was aber eine gute Entscheidung für mich war. Wenn mein Sohn krank wurde, war es manchmal für mich nicht einfach. Ich hatte aber das Glück, dass ich während der ersten Hälfte der Ausbildung noch bei meiner Mutter gewohnt hatte. Ich bin während der Ausbildung umgezogen und musste fünf Monate auf einen neuen Kitaplatz warten und meinen Sohn eingewöhnen. Für ihn war das auch nicht so einfach, da er gerne noch seine vorherige Kita besucht hätte.
Wie hast du die Teilzeitausbildung erlebt?
Die Teilzeitausbildung in meiner Firma war für mich das Beste, was ich jemals tun konnte – ich konnte so etliche Erfahrungen sammeln. Ich war trotz meines Mutterdaseins in der Gewerkschaft für die Azubis als Vertrauensperson tätig. Ich habe eine Welcome Veranstaltung moderiert und Studierende für drei Tage betreut. Ich wurde immer dafür gelobt, dass ich mich nie beschwert hatte oder als erste nach Hause ging. Ich hatte eine 25-Stunden-Woche Woche und wurde nach Tarif wie alle anderen Azubis bezahlt, was für mich eine Besonderheit war. Und: Ich konnte mich mit anderen Müttern, die auch Azubis dort waren, austauschen. Es war für mich auf jeden Fall eine Bereicherung.
Wann warst du stolz auf dich?
So richtig stolz auf mich war ich, als ich meine IHK Theorieprüfung mit der Note sehr gut abschloss und meine Ausbildung damit erfolgreich absolviert hatte.
Ausbildung und Kinder: Wie klappt das? Was ist schwierig?
Bei mir klappte es gut, aber ich denke, das lag auch an der großen Firma, die Wert darauf gelegt hat, dass wir gut durch die Ausbildung kommen. Die Leute dort hatten ein offenes Ohr für Probleme. Es kam darauf an, in welchen Bereichen man tätig war. Bei den Bürokaufleuten gab es ein Eltern-Kind-Büro. Ich musste sogar einmal meinen Sohn in die Filiale mitnehmen, da die Kita geschlossen hatte. Das Team war einfach super, auch als ich die Filiale gewechselt hatte.
Was müsste sich von staatlicher Seite aus tun?
Ich denke, der Staat muss leider mehr eingreifen und seiner sozialen Verantwortung nachgehen, da vor allem alleinerziehende Frauen es echt schwer auf dem Arbeitsmarkt haben und die Anforderungen sehr hoch sind und viele zum Studium gedrängt werden. Die Firmen dürfen nicht nur dafür werben, dass sie familienfreundlich sind, sondern müssen auch wirklich familienfreundlich handeln, bewusst Teilzeitausbildungen anbieten und auch dafür werben, dass Mütter herzlich willkommen sind: mehr Zusammenarbeit mit Vereinen und Institutionen und familienfreundliche Arbeitszeiten anbieten oder Kitaplätze.
Wer ist dein Vorbild und warum?
Nelson Mandela gehört zu meinen Vorbildern, da er sich für seine Rechte und gegen die Unterdrückung dunkelhäutiger Südafrikaner*innen eingesetzt hat. Alle Mütter dieser Welt, die alleine oder gemeinsam mit Partner, trotz vieler Hürden, ihre Kinder großziehen. Menschen die aus eigener Kraft was schaffen, wie den Weg aus der Armut oder ihre Heimat verlassen und sich trotzdem was aufgebaut haben.
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